monkey.
VÖ GSA: 30.09.2011
MONCD084 (Jewelcase-CD)
Vertrieb: Rough Trade
Kontakt: monkey.
Cover-Versionen sind eine Königsdisziplin im weiten Land Pop. Einerseits weist man als Künstler damit auf Querverbindungen, Referenzen, persönliche Vorbilder und Vorlieben hin. Andererseits muss man selbst ja, sofern man einen Song „covert“, also ihn sich zu eigen macht, indem man ihn öffentlich aufführt, interpretiert und eventuell auch auf CD dokumentiert, seinen Zugang zum Ausgangsmaterial offenlegen. Und der ist – sofern man sich nicht in striktes „Nachspielen“, also eine möglichst exakte Reproduktion des Originals flüchtet – nicht selten auch ein Schlüssel zur eigenen Person, Psyche und künstlerischen Potenz.
Und somit ein Wagnis. Gelegentlich fügen Interpretationen guter Songs letzteren noch eine eigene, selbst vom Autor und Originalinterpreten nicht erreichte Dimension, Intensität und Qualität hinzu. Die Beispiele sind Legion – ob es sich nun um Jeff Buckleys Version von Leonard Cohens „Hallelujah“ handelt, um Jimi Hendrix’ elektrifiziertes Seelenfeuer „All Along The Watchtower“ (Original: Bob Dylan) oder Johnny Cash’s stoisch vorgetragenes „One“ (Original: U2). Oder um aktuelle Song-Pretiosen, die wir uns, nicht selten unwissend, oft erst in der Bearbeitung von alten Helden oder neu entdeckten Lieblingsinterpreten zu eigen machen.
Ernst Molden weiß selbstverständlich Bescheid um diese höchst befruchtende – und höchst notwendige – Wechselwirkung. Mehr als die bürokratischen Rechtverwalter vieler Künstler, die Musikverlage. Wie sonst wäre es zu erklären, dass manche Songs – peniblen Bearbeitungen, wiederholten Anfragen und monatelanger Geduld zum Trotz – nicht „freigegeben“ werden? So, nur so kann es kommen, daß z.B. eine wunderbare Interpretation von Tom Pettys „Southern Accent“, getextet von Ernst Molden und gesungen von Willi Resetarits, nicht auf „weida foan“ erklingt. Oder „Grapefruit Moon“ von Tom Waits, das – interpretiert von Ingrid Lang – „Göba Mond“ geheißen hätte... Konjunktiv. Denn die offiziellen Spielregeln und Player sind da bisweilen engstirnig. Und unerbittlich.
Womit wir schon mitten im Thema wären. Die Sache ist: Ernst Molden und seine Mitstreiter(innen) haben einmal mehr ein Cover-Album vorgelegt. Der Titel „weida foan“ deutet an, dass es sich um eine Fortsetzung handelt. Und zwar von „foan“, das anno 2008 die Marschroute festlegte. Ernst Molden damals: „Ich komme aus Wien. Ich kann nichts dafür. Und ich hätte es viel schlimmer treffen können. Ich bewege mich von Zeit zu Zeit aus Wien fort, eine Art seelisches Gummiband zieht mich wieder zurück. Viele meiner Alben handeln von Wien – mit ihnen zeige ich der Welt meine Stadt. Wo man dort wohnt, wo man dort heult, wo man lacht, wo man begraben sein will und wo man sich küsst. Und es gibt Alben, die es umgekehrt machen: sie versuchen meiner Stadt die Welt zu zeigen. Mit Songs aus England, Amerika, Deutschland, Lieblingsliedern aus drei Jahrzehnten Musikhören. Geschrieben von Cash, Waits, Oldham, Cave, Gershwin und anderen, übersetzt von mir in die Sprache von Wien.“
Bei „weida foan“ gesellen sich neue Namen dazu, teils überraschende: Radiohead, Warren Zevon, Ben Harper. Teils weniger überraschende: Bob Dylan, Bruce Springsteen, Townes van Zandt. Der Name Gavin Maurice Sutherland wird dagegen weniger geläufig sein. Er ist der Autor von Rod Stewarts „Sailing“, das „Foan“ ursprünglich den Titel gab, durch die Interpretation von Ex-„Ostbahn Kurti“ Willi Restarits aber nochmals zusätzlich an Verve, Glaubwürdigkeit und unbedingter Stimmigkeit gewann. Der Song zählt seit Jahren zu den absoluten Höhepunkten jedes Ernst Molden-Gastspiels. Und ist nun in seiner definitiven Wienerischen Version verewigt. Gleiches gilt für die Einbürgerung der zeitweise verbotenen Selbstmord-Hymne „Gloomy Sunday“, in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts geschrieben und getextet von den Ungarn Rezsoe Seress und Laszlo Javor. „featiga sundog“, in seiner Morbidität so sanft wie strikt festgehalten von Ingrid Lang, ist ein weiterer Eckpfeiler dieses Albums.
Ein Album, das mit einer offensiven, mächtigen Version von Nick Cave („Red Right Hand“ alias „Rode Rechte Haund“) anhebt. Und mit einem flotten Traditional, einer Abschieds-Ode an „Jessica“, endet. Und dazwischen keinen Augenblick zweifeln lässt, dass Ernst Molden weiß, was er tut. Und seine Bühnenkollegen, seine Band, sein Produzent Kalle Laar erst recht. Und natürlich sein Publikum. Steigen Sie ein, fahren Sie mit, die Erkundungs- und Vergnügungsreise ist noch lange nicht zu Ende.
(Walter Gröbchen)
Zitate zu "weida foan":
"Bleibt zu hoffen, dass Molden und seine Mitstreiter noch lange "weida foan". Denn wenn wie hier der Weg das Ziel darstellt, ist es vollkommen in Ordnung, niemals anzukommen." (Daniela Herger, die-frau.at)
"Beste Medizin für Melancholiker!" (Samir Köck, Now!)
"Zwölf Songs, bei denen Molden eigentlich immer dann am Besten ist, wenn rund herum alles sinister, düster und ein wenig g'schissen ist. Soweit lehne ich mich aus dem Fenster: wenn einer "Murder Ballads" in einen österreichischen Kontext bringen könnte, dann wird es Molden sein müssen." (Markus Brandstetter, stadtbekannt.at)